Lernen kann man immer nur selbst – das gilt für alles und damit auch für das Ballon fahren. Natürlich hat die Ausbildung einen theoretischen Teil (mit Prüfung). Wichtiger ist der praktische Teil, in dem es darum geht, ein Gefühl zu entwickeln für den Ballon, dessen Zusammenspiel mit der stets selben Physik und dem immer anderen Wetter, der Landschaft, über die man gerade fährt, und dem jeweiligen Team. Die Erfahrungen, die man bei diesen Ausbildungsfahrten sammelt, werden direkt im Anschluss analysiert, in der Fahrtnachbesprechung – um daraus für die nächste Fahrt zu lernen.
An den Fahrtnachbesprechungen ist in der Regel das gesamte Ballon-Team beteiligt, also Pilotenschüler:in, Ausbilder:in, Verfolger:innen-Crew und Team im Korb. Es ist keine rundherum symmetrische Reflektion, denn es gibt jemanden, der ausgebildet ist und weiß, was richtig ist, und jemanden, der lernt, indem er seine Handlungen und Entscheidungen reflektiert (was ist gut gelaufen, was nicht; welche Fehler habe ich gemacht und selbst erkannt; wie war das Stressniveau in den einzelnen Phasen der Fahrt…). Da Ballonpiloten nicht nur ein technisches Gerät steuern, sondern auch ein Team von Menschen, sind bei den Fahrtnachbesprechungen die Beobachtungen aller wichtig: Waren die Anweisungen für Aufrüsten und Einpacken klar? Hatten die Verfolger alle Informationen, die sie brauchten? Idealerweise lernt das gesamt Ballon-Team, mindestens jedoch der Schüler – unterstützt durch die Fragen des Ausbilders. Und oft erbitten auch die Ausbilder Rückmeldung zu ihrem Lehrstil während der Fahrt („Habe ich zu oft eingegriffen? … zu wenig erklärt? Was war zu kompliziert?“).
Die Dynamik der Fahrtnachbesprechungen ist immer anders: teilweise sehr direkt und ehrlich („Die Zwischenlandungen waren ok. Aber ich ärgere mich, dass ich bei der Endlandung so zögerlich war – wir hätten durchaus VOR der Hecke noch genügend Platz gehabt.“), manchmal geprägt vom Adrenalin derer, die zum ersten Mal im Korb mitfahren und deshalb – sagen wir mal – eher nicht so kritisch sind, und manchmal auch recht schweigsam.
Irgendwann, ich war Crew-Mitglied bei der Ausbildungsfahrt eines Vereinskollegen und wir hatten gerade den Ballonanhänger wieder an der Flugschule abgestellt, sagte der Ausbilder nachdenklich zu mir: „Seltsam. Ich bekomme kaum Feedback zu meiner Art zu lehren. Wie soll ich mich denn verbessern, wenn niemand etwas sagt?“ Eine aufmerksame Beobachtung – und ein sehr ehrlicher Wunsch, der dahinter steht.
„Ich glaube, das liegt am Setting“, antworte ich. Denn anders als bei agilen Retrospektiven sind in den Fahrtnachbesprechungen eben nicht alle gleichberechtigt, es existiert kein gemeinsames Ziel (eine Pilotenlizenz ist ein Individualziel) und nur zufällig gibt es gemeinsame Werte und weitere Fahrten, in denen Vertrauen zueinander aufgebaut werden kann. Und eigentlich spricht auch einiges für diejenigen Menschen, die u.U. zum ersten Mal im Ballon unterwegs (vielleicht auch noch mit Leuten, die sie nicht kennen) – und sich deshalb mit ihrer Meinung eher zurückhalten.
„Soll ich es anders machen?“, will Christoph wissen.
Nein, denn eine Retrospektive ist eine sehr wirksame Methode, um ein Team und alle seine Mitglieder weiterzuentwickeln. In wechselnden Teamkonstellationen oder am Anfang der Teamentwicklung kann es sich lohnen, zusätzlich unter vier Augen um Feedback zu bitten – das ist manchmal für alle Beteiligten leichter. Sobald das Vertrauen im Team aufgebaut ist, kann man offen sprechen.
Letztlich braucht es das, was es beim Ballonfahren immer braucht: Geduld. Agile Teams funktionieren in der Regel erst nach einem Jahr stabil. Und bis dahin sowie im Zweifel: Gesichtswahrung vor Methodenkonformität 😉
Bildnachweis: Thanakorn Lappattaranan (iStock photo)